Gerichtstag am Landesarbeitsgericht Frankfurt – Ein persönlicher Erfahrungsbericht

Früh morgens ging es los!

Mit dem elektrischen Smart zum nächstgelegenen Bahnhof – von dort sollte uns ein früh geplanter Zug zum Frankfurter Hauptbahnhof bringen. Früh genug, um sogar eine Stunde Verspätung einzukalkulieren. Am Ende waren es “nur” 30 Minuten.

Doch dann die Durchsage: Der Zug fährt ausnahmsweise nur bis Mainz. Nicht nach Frankfurt.

Damit war unser Zeitplan dahin – mir war sofort klar: Ich werde es nicht rechtzeitig zum Gericht schaffen.

Die zweite Überraschung: Mein Anwalt ist krank

Am Gericht angekommen dann der nächste Rückschlag: Mein Anwalt war kurzfristig erkrankt. Er hatte eine Ersatzperson organisiert – aber damit konnte und wollte ich mich nicht abfinden. Es fühlte sich nicht gut an, vor allem nicht an so einem entscheidenden Tag.

Ein bekanntes Gesicht: Der Richter

Dann betrat der Richter den Saal – derselbe, der mir im Vorjahr die Scheinselbstständigkeit zugesprochen hatte. Ich fühlte mich in seiner Gegenwart wieder etwas sicherer.

Damals war es dieser Richter, der sagte, er würde lieber ohne juristischen Streit versuchen, eine Lösung zu finden – und uns als „beeindruckende ePioniere“ bezeichnete. Auch dieses Mal schuf er eine Atmosphäre, in der ich mich trotz allem respektvoll behandelt fühlte.

Emotionale Reaktion

Als die Inhalte erneut vorgelesen wurden, überkam mich die Erschöpfung der letzten Jahre. Ich kämpfte mit den Tränen – vergeblich. Die Reise, die ständige Unsicherheit, das Gefühl, für meine Wahrheit kämpfen zu müssen, hatten mich emotional ausgelaugt

Zweifel an Verträgen – und eine klare Haltung des Gerichts

Dann begann der Richter mit dem Punkt, dass von der Gegenseite die Gültigkeit meiner Arbeitsverträge angezweifelt wurde.

(Eigene Anmerkung: Als ich das las, war ich tief getroffen. Verträge, die unterschrieben und gelebt wurden, plötzlich in Frage zu stellen, hinterließ in mir einen bleibenden Eindruck.)

Doch das Gericht reagierte klar: Da Gehälter wie im Vertrag vereinbart gezahlt wurden, bestand aus seiner Sicht kein Zweifel an deren Gültigkeit.

➡ Damit wurde auch die Abgeltung von 93 Urlaubstagen bestätigt – sowie mehrere ausstehende Gehälter aus den letzten drei Jahren.

Tränen der Erleichterung

In diesem Moment konnte ich meine Emotionen nicht mehr zurückhalten. Ich war tief bewegt – ich hatte das Gefühl, dass Verständnis und Gerechtigkeit greifbar wurden.

Ich durfte mich äußern und sprach offen über das Gefühl, seit drei Jahren immer wieder Aussagen über mich lesen zu müssen, die aus meiner Sicht nicht der Wahrheit entsprechen:

• Angaben zu meiner Mitarbeit

• Angaben zu meinem Gehalt • • •Beschreibungen meines Arbeitsplatzes

• Beschreibung meiner Tätigkeit

Ich erklärte, wie sehr mich das verletzt hat – und wie sehr es mich entlastet, nun endlich gehört zu werden.

Danke, lieber Super-Richter – das war Balsam für meine Seele.

Nicht alles angesprochen – aber innerlich präsent:

Einige Aussagen der Gegenseite, die im Verfahren diesmal nicht zur Sprache kamen, haben mich ebenfalls stark getroffen. Zum Beispiel, dass ich angeblich nur wegen einer Erkrankung eingestellt worden sei, nie vor Ort gewesen wäre oder keinen Arbeitsplatz gehabt hätte.

Diese Vorwürfe blieben im Raum – ohne Entkräftung. Ich bedaure, dass ich dazu keine Gelegenheit mehr hatte, Stellung zu nehmen.

Thema Scheinselbstständigkeit (2012–2019)

Dann kam der zweite große Punkt: Meine Tätigkeit vor der Festanstellung.

Hier wurde vom Gericht bemängelt, dass die anwaltliche Vertretung keine neuen Argumente eingebracht hatte, obwohl die Gegenseite vorgetragen hatte, dass ich nebenher ein anderes Projekt (eine eRallye) organisiert hätte.

Beim letzten Verfahren hatte mir der Richter in dieser Frage bereits zugestimmt – nun wünschte er sich weitere Einordnung, die jedoch ausblieb.

Ein tragisches Vakuum – und eine Einladung zur Klärung

Ein weiteres Verfahren am gleichen Tag fiel tragischerweise aus – einer der Beteiligten hatte sich das Leben genommen. Der Richter bot uns an, die frei gewordene Stunde zu nutzen, um offene Punkte zu klären.

Ich äußerte, dass ich mit den zugesprochenen Zahlungen nun endlich auch die nötigen rechtlichen Schritte gehen könne. Denn bislang war ich stets in der Verteidigung – jetzt sei ich an der Reihe.

Meinungsfreiheit & Blog

Auch mein Blog kam zur Sprache. Die Gegenseite kritisierte meinen „Schreibdrang“. Der Richter stellte jedoch klar: In Deutschland ist Meinungsfreiheit ein geschütztes Gut.

Ein Versuch, Frieden zu finden / Ein persönliches Angebot – ohne Reaktion

Ich bot an, einen Teil der offenen Forderungen (20.000 Euro) nicht geltend zu machen, wenn ich im Gegenzug meine Hunde wiedersehen dürfte.

Die Gegenseite zeigte keinerlei Bereitschaft, darauf einzugehen oder weitere Prozesse abzuwenden.

Nach dem Gericht – erschöpft, aber klar

Draußen vor dem Gericht war ich am Ende meiner Kräfte. Ich wurde mit dem Elektro – Smart in Mainz abgeholt. Zuhause erwarteten mich vier Hunde und ein langer Spaziergang. Danach war die Kraft wieder da – für die Fahrt nach Marburg, für den nächsten Schritt.

Danke an alle, die an mich gedacht haben. Für die Nachrichten, die Gespräche, den Rückhalt.

Wie geht’s weiter?

• Es wird ein schriftliches Urteil geben.

• Die TWIKE GmbH hat dann zwei Wochen Zeit zur Zahlung.

• Gleichzeitig wird geprüft, ob eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht möglich ist.

PS:

Schade, dass der Richter diesmal meinen Blog nicht gelesen hat. Beim letzten Mal äußerte er sich sehr positiv – vor allem zu meinen durchaus wohlwollenden Aussagen zum Produkt TWIKE.

Ich hoffe weiterhin, dass meine Leserinnen und Leser das Produkt (TWIKE 3 bis 2019) von der Firma trennen – denn das Fahrzeug bleibt: ein echter Eyecatcher.

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