Früh morgens geht es los. Ein erneuter „200km“ Tag steht an. Dieses Mal jedoch ohne Alpenüberquerung. Gestern scheint der „Monstertag“ der gesamten Reise gewesen zu sein und wir haben ihn meisterhaft bewältigt. Jetzt sind wir für alles gewappnet, selbst für den marokkanischen Zoll (Gudrun hat vor der Alpenüberquerung schlecht geschlafen, mir schafft die bevorstehende Zollüberquerung unruhige Momente…)
Nach nicht langer Fahrt erreichen wir den „magischen“ Comer See. Toll. Sehr lange dürfen wir an seiner Seite entlangfahren, wenn auch größere Abschnitte dabei untertunnelt sind.
Unser erster Ladehalt führt uns zurück in die Schweiz. Richtig gelesen, denn dort haben wir nochmals die Möglichkeit, innerhalb des einzigartigen Park&Charge Systems unser TWIKE aufzuladen. Leider glänzt die italienische Ladesäulenkarte nur so von weißen Flächen…Speziell für diesen Ladehalt transporieren wir den notwendigen Park&Charge Schlüssel bis nach Marokko. Beim Park&Charge Halt in Chur hätten wir den Schlüssel nicht extra mitnehmen müssen, es hätte sich auch eine andere Lösung gefunden.
Das schweizerische Chiasso liegt direkt hinter der italienische Grenze. Wir üben also bereits schonmal die „Zollüberquerung“ für Marokko:-).
Die angekündigte Ladesäule finden wir zugleich:

Doch einer der beiden vorhandenen Parkplätze ist bereits belegt. Kein Problem für das TWIKE, bekommen wir doch zwei TWIKE auf einen Parkplatz gestellt und 3 Anschlüsse stehen ebenfalls zur Verfügung. Done!
„Gudrun, hol doch mal bitte den Schlüssel“. Gesagt, getan, wir haben alles parat, es kann losgehen. Ich nehme den Schlüssel in Empfang, stecke ihn in das Schloss und…der Schlüssel lässt sich nicht umdrehen. Wie jetzt…das gibt es doch nicht. Der Schlüssel hat doch immer bisher gepasst. Jeder von uns probiert es bestimmt 5 Mal ohne Erfolg. Ich greife zum Telefon und rufe die angezeigte Nummer an. Fehlanzeige, die Nummer existiert nicht mehr. Es ist bereits kurz vor 12 Uhr mittags. Auf der Parkscheibe des nebenan ladenden E-Fahrzeuges steht Ankunftszeit 10 Uhr. Mmh, ob der Besitzer wohl zur Mittagszeit zurückkommt? Es ist schließlich die italienische Schweiz, da könnte doch eine obligatorische Mittagspause einberechnet werden, oder? WOW! Gedacht und schon stand der Besitzer neben uns. Er ist so nett und lässt und die Steckdosen frei zugänglich. Doch Moment, wir sind doch keine „Stromschmarotzer“. Wir haben doch ebenfalls DEN Schlüssel und der kostet ebenfalls eine 3stellige Jahressumme. Wir vergleichen beide Schlüssel, auf beiden steht KARABAG plus die gleiche Nummer. Optisch sieht er auch gleich aus. Verwirrt probiert jetzt auch der Besitzer unseren Schlüssel. Doch kein Erfolg. Ok, unsere TWIKEs laden mittlerweile, doch ohne Schlüssel können wir den Schutzdeckel der Ladesäule nicht mehr alleine aufbekommen. Und der Deckel rastet automatisch ein.
Doch anbei unsere Lösung (nicht Lachen!, es war „Notwehr“):

Genau, man nehme eine Plastiktüte, welche verhindert, dass das Schloss mitsamt unseren Kabeln einklickt. Es wird doch keiner so frech sein, und während unserer Abwesenheit unsere „provisorische“ Schlüsselattrappe kappen? Denn wir sollten ganz voll laden, sprich wir rechnen mit mind. 3h Ladeaufenthalt. Den nächsten Ladehalt gibt es erst in 100km Entfernung, und einen Großteil davon werden wir auf der Autobahn zubringen.
Alles ging gut. Ca. 3h später fahren wir weiter Richtung Teslaladestation über die italienische Autobahn an Mailand vorbei. Autobahn? Wir gehörten in der Tat zu den schnelleren Fahrzeugen. Ich hätte nicht vermutet hier soviele Fahrzeuge mit 70km/h Geschwindigkeit anzutreffen und vor allem keine „Schlaglochpiste“.

Was für eine Fahrt. Einmal die falsche Ausfahrt genommen, einmal das TWIKE verloren und am Ende ging doch noch alles gut. Wirklich?

Ok, hier sind wir falsch am Platz. Noch sind die Tesla-Ladesäulen anderen E-Fahrzeugen nicht zugänglich, dafür gibt es aber genau gegenüber die E-Tankstelle für „alle“:

Doch scheint diese oder aber unser Typ 2 Stecker nicht zu funktionieren…wir wissen es nicht. Aber wir wissen, dass unser Typ 2 Stecker bisher immer funktioniert hat…doch gibt es wohl unterschiedliche „Normen“ in Bezug auf eine Typ-2 Ladesäule und nicht jeder Typ 2 Stecker kommt mit jeder Norm zurecht (habe ich das jetzt richtig verstanden?).
Mmh und jetzt? Wir haben doch noch ca. 35km zu fahren. Ein Großteil hiervon über die Autobahn und für zumindest das letzte Drittel werden wir in die Nacht hineinkommen. Also ist auch das Licht gefragt. Wir brauchen eine Lösung. Da alle Ladestationen im Vornerein geplant sind, habe ich auch keine italienischen Adapter dabei (ja, in Italien gibt es meisstens noch andere Steckdosen…). Es bleibt uns trotzdem nichts anderes übrig als an der Raststätte nach einer „Notlösung“ für uns zu fragen.
Und bevor ich überhaupt nachfragen kann, sehe ich ganz versteckt hinter zwei Mülltonnen eine rote und blaue CEE. Mal wieder zu früh gefreut. Sie funktioniert nicht…doch genau nebenan gab es dieses Duo nochmal. Funktionierend! Würde uns der Tankstellenbesitzer ein Strich durch die Rechnung machen? Nein, grünes Licht! Was für ein aufregender Ladetag heute!

Geschafft, alles gut, oder? Wir erreichen Tortona bei Dämmerung und wenigen Restkilometern. Doch scheinen wir noch nicht beim Ziel angekommen sein. Die ausgesuchte Unterkunft, Agriturismo Montegualdone, liegt nämlich direkt auf dem Hausberg!!! Dieser extrem steiler Anstieg war nicht eingeplant. Mit viel Pedalkraft erreichen wir mit hohem Adrenalinspiegel endlich die Destination des Tages.

Leider haben wir uns erneut zu früh gefreut, denn die angebotene Steckdose scheint nicht für 2x 4A gewappnet zu sein. Nachdem ich einen Ladestopp beim obligatorischen Check festgestellt hatte, ging es also erst mal mit 1x4A weiter. Ich werde mir meinen Wecker stellen um früh im Morgengrauen die Fahrzeuge umzustecken.
Und endlich endlich sitzen wir vor der verdienten Rotweinflasche und lassen uns vom italienischen Essen verwöhnen. Der Adrenalinspiegel sinkt!

Jetzt nur noch die Hunde rauslassen und ab ins Bett. Wirklich?
Während die Hunde Ihre Runde drehen, schaue ich nochmal nach dem ladendem TWIKE. Alles gut! Super! Jetzt aber schnell wieder ins Haus. Doch wo ist Bayda? Ich suche, pfeife, friere…keine Bayda in Sicht. Verzweifelt bringe ich Bob ins Zimmer und nehme mir eine Taschenlampe für die Suche mit. Bayda entfernt sich sonst nie. Geht denn dieser seltsame Tag nie zu Ende? Bisher ging doch trotzdem immer noch alles gut…Bayda wo bist du? Ich suche fast noch eine halbe Stunde und auf einmal stand sie neben mir. In Gedanken habe ich bereits die Fähre ohne uns abfahren sehen…
Es ist jetzt halb 2. Um 6 klingelt der Wecker…das TWIKE läd gut. Es sollte jetzt aber auch nichts mehr schief gehen und morgen werden wir ganz bestimmt entpannt auf der Fähre nach Marokko ankommen. Wirklich?

Sämtliche Bilder der Tour sind mittlerweile hier zu sehen.